Schuhmachergesellen

Dr. Alfred Ursinus berichtet Folgendes (STORMARNSAGEN, Bad Oldesloe 1950):

Nach dem "Oldesloer Gewerbeverzeichnis von 1789" gab es in dieser kleinen Stadt nicht weniger als 40 Schuhmachermeister mit 25 Gesellen und 21 Lehrburschen. Mit diesen 87 Mann stand die Schuhmacherei als Kleingewerbe an erster Stelle, woraus sich sowohl ihre straffe Zunftordnung und auch ihr ungemein starkes Selbstbewusstsein erklären läßt.

Früher, zu Martin Luthers Zeiten, waren die Oldesloer Bürger meistens katholisch. Eines Tages, wahrscheinlich im Winter 1528/29, wollte der Hamburger Reformator Bugenhagen nach Oldesloe kommen, um hier zu predigen. Als er nun auf der Kanzel seine Predigt beendet hatte, sollte der Schülerchor ein Luther-Lied singen. Aber da war nichts zu hören, der Chor wollte nicht bei einem lutherischen Gottesdienst singen.

Auf einmal fing ein Schuhmachergeselle an, das verlangte Lied zu singen und alle anderen Schuhmachergesellen stimmten mit ein. Die Gottesdienstbesucher wussten zuerst gar nicht, was los war, sie fühlten sich zuletzt aber so mitgerissen, dass die ganze Gemeinde mit einstimmte.

Zum Dank dafür bekamen die Schuhmachergesellen einen Platz im Chorraum hinter der Kanzel zugewiesen. Wenn einer von ihnen mal sonntags nicht auf seinem Platz saß, musste er einen Schilling Strafe zahlen.

Anmerkung: Die Reformation wurde im damals dänisch regierten Schleswig-Holstein durch König Friedrich I. von Dänemark und den Reformator Johannes Bugenhagen eingeführt. Als erster evangelischer Pastor wurde Peter Petersen 1524/25 nach Oldesloe berufen. Johannes Bugenhagen predigte in der Peter-Paul-Kirche wahrscheinlich im Winter 1528/29.

Text: Martin Pommerening
Audio: Ulrike Gelhausen